#060

Ökonomie der Aufmerksamkeit

Nicolaus Schafhausen, Brigitte Oetker (Hrsg.)

Ökonomie der Aufmerksamkeit Jahresring #60 © Kulturkreis/Sternberg Press

Verlag: Sternberg Press
Erscheinungsjahr: 2013
Sprache: Deutsch/Englisch
Seiten: 328
ISBN: 978-3-95679-024-9

Beiträge von: Saâdane Afif, Thomas Bayrle, Michael Beutler, Monica Bonvicini, Mike Bouchet, Ulla von Brandenburg, Angela Bulloch, Andrea Büttner, Keren Cytter, Simon Denny, Thea Djordjadze, Ólafur Elíasson, Harun Farocki, Dani Gal, Katharina Grosse, Eberhard Havekost, Florian Hecker, Christian Jankowski, Susanne Kriemann, Antje Majewski, Olaf Metzel, Carsten Nicolai, Olaf Nicolai, Marcel Odenbach, Silke Otto-Knapp, Willem de Rooij, Cornelia Schleime, Michael Stevenson, Hito Steyerl, Haegue Yang, Tobias Zielony

Inhalt

Vorwort

Der 60. Jahresring präsentiert sich als Kompilation von Interviews mit zeitgenössischen Künstlern. Viele zählen zu den bekannten Vertretern der Gegenwartskunst, andere stehen noch am Anfang einer internationalen Karriere. So scheint dieser Jahresring eine Momentaufnahme einer überaus aktiven, weit über die Landesgrenzen hinaus beachteten Kunstszene zu sein. Die Fragen, die Nicolaus den insgesamt 31 Malern, Bildhauern, Fotografen, Filmemachern und installativ arbeitenden Künstlern gestellt hat, richten sich jedoch weniger auf ihre jeweilige künstlerische Praxis, sondern auf die Bedingungen, unter denen diese entsteht. Die Auswahl der Künstler will kein repräsentativer Querschnitt sein. Gleichwohl entsteht im Zusammenspiel der einzelnen Positionen so etwas wie eine Bestandsaufnahme der Faktoren, die zunehmenden Einfluss auf die heutige künstlerische Praxis ausüben. Nie war die Präsenz von Kunst im Bereich der neuen Medien ausgeprägter, nie zuvor waren Ansichten von Ausstellungen in so großer Zahl im Internet verfügbar. Mit dem Zugriff auf mediale Bilder und internetbasierte Recherchemöglichkeiten hat sich die Kunstproduktion der Gegenwart signifikant verändert. Selbst die Ausbildung an den Kunstakademien hat dieser grundliegenden Veränderung durch die Etablierung neuer Studiengänge wie dem Artistic Research Rechnung getragen. Aber auch jene Künstler, für die neue Medien in Bezug auf das eigene Werk kaum eine Rolle spielen, stehen vor der Aufgabe, ihre eigene mediale Präsenz zu reflektieren.

Mit der Hauptstadt Berlin ist ein neues internationales Kunstzentrum entstanden. Auch das spiegelt sich in den hier versammelten Gesprächen. Viele der Befragten leben in Berlin, sind aus dem Ausland in die Stadt gezogen oder werden von Berliner Galerien vertreten. Andere, die im Ausland leben, blicken auf die neue Hauptstadt aus distanzierter Perspektive.

Der Kunstmarkt hat sich verändert und deutlich an Einfluss auf die zeitgenössische Kunstproduktion gewonnen. Auch Kunstinstitutionen agieren anders als noch vor zwanzig Jahren und verfolgen eine andere, auf jüngere Positionen fokussierte Ausstellungspolitik. Die Umbrüche, die mit diesen sehr unterschiedlichen, aber parallelen Entwicklungen einhergehen, sind in den Gesprächen, die teils per Email, teils live entstanden sind, deutlich spürbar. Ausgangspunkt waren stets die gleichen Fragen, die dann im Laufe des Interviews durch weitere, auf die jeweilige künstlerische Praxis und deren Verortung im Kunstbetrieb der Gegenwart bezogene Fragen ergänzt wurden. Nicht das individuelle Werk steht deshalb im Zentrum, sondern die jeweilige Selbstpositionierung in einer von tief reichenden Veränderungen geprägten Zeit.

Seit den Sechzigerjahren hat sich das an journalistischen Vorbildern orientierte Künstlerinterview als eigene Gattung etabliert und eine große Anzahl künstlerischer Selbstaussagen hervorgebracht, die der Kunstgeschichte wichtiges Quellenmaterial geliefert haben. Heute findet sich das feuilletonistisch geprägte Künstlergespräch in fast jeder Ausgabe eines Kunstmagazins. Der Künstler erscheint dabei als Interpret seines Schaffens und liefert authentische Zeugnisse zur Werkgenese. Tatsächlich handelt es sich jedoch um zeitgebundene Einblicke in eine Tätigkeit, die noch immer zu großen Teilen mit prekären Lebensbedingungen verbunden ist und gerade dadurch, dass sie sich als erst genommener Beruf etablieren konnte, stärker in die Logiken des Marktes eingebunden ist als je zuvor. Einblicke in diese andere Seite des Künstlerdaseins bietet dieses Buch, das die Ökonomie der Aufmerksamkeit als einen zentralen Bestandteil gegenwärtigen Kunstschaffens registriert.

Nicolaus Schafhausen und Brigitte Oekter